Dienstag, 9. Februar 2010

Die neuen Leiden der jungen Hegemann

...Daumen hoch, Daumen runter! Ganz großes Theater.

Oder sagen wir es mal anders, für humanistisch Gebildete, jenseits all der Kotz- und Spermapfützen, durch die der moderne deutsche Autor sonst ja sonst so gern spaziert: Circus Maximus lebt. Schuld hat (endlich, endlich wieder ein bißchen semantische Klarheit in allem intertextuellen Chaos!) ausgerechnet die kleine Maus, die noch vor ein paar Tagen zum amtlich beeideten, volksentschiedenen, neuen deutschen Superstar der Literatur-Schickeria wurde. Eine gewisse Frau Hegemann.

Dass dieses arme Kind nun die negativen Seiten des Scherbengerichts ausbaden muss, die es gerade erst als groß, gütig und zu fast gotthaftem Entzücken fähig kennengelernt hatte, ist peinlich. Vor allem für die Richter, die in ebenden Feuilletons, die Frau Hegemann zwar in Interviews chronisch duzten, aber kurz davor waren, sie nichts desto Trotz zur künftigen Literaturnobelpreis-Trägerin auszurufen. Das Rhizom (Achtung, Popkulturschaffende, das heißt: unterirdisches Pilzgeflecht) von Bosheit, Hass und Trendbesessenheit schlägt auf dem Höhepunkt der ewigen Quantenwelle des Glanzes in sein kleinstes schleimiges Teilchen um. Oder für 68er: Alles Quark.

Ok, Frau Hegemann hat abgeschrieben. Wundert keinen, der ihre selbstverliebte Attitüde als Auswuchs pubertärer Egomantik gelesen hat. Allerdings mußte sie damit auch unterschätzen, wie glücklich die geistig Armen seit Jahrtausenden damit sind, ihre Machtposition als Kulturherolde immer wieder an einzelnen Bugfiguren der Pop-, Netz- oder sonstigen Kultur festzumachen, die wegen ihrer Geschwätzigkeit leider allzu gern mit Talenten verwechselt wurden. Erst Recht, wenn sie ins Raster bzw. die Suchmaske derjenigen geraten, die keine eigenen Götter mehr haben - außer der Selbstverherrlichung als Hüter des Herrschaftswissens. Das zur Zeit ohne jeden Maßstab auskommt und sich deshalb auf Chewing-Gum-Effekte verläßt. Möglichst viel kauen, nicht schlucken und irgendwann platzt das Ding. Wichtig ist, dass jeder am Ende gut dabei ausieht.

Obekte der kritikerlichen Begierden (für Popautoren: Geilheit!) waren in den letzten Jahren gern mal Ladys, die einen (Teil-)-satz geradeaus schreiben konnten, möglichst frühreife Erfahrungen machten (oder wenigstens so wirkten, als hätten sie selbige gemacht haben können) und "hooked" waren - also im besten Fall aus geigenden Künstlerfamilien stammten. Die junge (noch besser: ganz, ganz junge) Elite der (Sp-)Literatur. Denn hier schieden sich insgeheim die Geister und es regte sich (in anderen als wissenden) Kreisen ein heimlicher Widerstand. Gegen Hypes. Gegen Vergötterung des Naiven, das sich als Hochbegabung tarnte. Gegen Beliebigkeit der Urteile, die alles, aber auch alles in Frage stellte, was einmal schön, gut und wahr war. Kunst. Die eilig durch Kunstdebatten ersetzt wurde. Welche Genie bewiesen (Ich wichse in die Bodymilk meiner Schwester - Zitat von wem auch immer).

Frau Hegemann ist insofern die Lolita der dicken alten Männer und frigiden, ängstlichen Frauen, die nach Canossa gegangen sind und ihren Kniefall vor dem Dogma des Ich-verstehe-nicht-mehr-was-da-draußen-passiert gemacht und es dann schnell zu genialischem Antrieb des Fremden erhoben haben. Des Jungen. Des Anderen. Des Elementarteilchenhaften. Weil Leeren. Und da ohne Bedeutung heutzutage ja nichts mehr auskommt, mußte selbst die Hilflosigkeit deutscher Autoren, die an ihrer eigenen Langeweile erstickten, durch Brisanzverdacht geadelt werden. Hier eine neue Hoffnung für die Mühen der literarischen Ebenen (Hat in dem Buch wer gekotzt?), dort gleich ein brandaktuelles Leidensgenie, das einfach mal ganz diffus ausdrückt, wie ereignislos sein Dasein doch ist (koksen, ficken, Buch schreiben, Star werden, Ende Banane).

So wird man korrumpierbar, wenn man dem Druck nicht standhält, eine Tochter von irgendwem zu sein und die Mischpoke freut sich, endlich wieder etwas zum Feiern zu haben. Bei Prosecco und Ruccola. Und einer Handvoll sabbernder Theorien über neuen deutschen Wahnsinn (Toll, die stand ja wohl kurz vor der Psychose - da kann es nur Kunst sein, was sie verbricht). Selig sind die geistig Warmen - schade nur, dass Frau Hegemann nunmal keine zarte Naturschönheit ist, sodass wenigstens ihr (immerhin blonder) "Haarvorhang" nun die Gazetten auf und ab gehievt wird, um ihre Besonderheit zu rechtfertigen.

Gott (sorry, Jungs und Mädels von der literatursozialistischen Einheitsfront!), was ist das alles elend! Das arme (Arsch- Zitat Hegemann oder Airen oder wer auch sonst, ist doch egal) -Kind hat vermutlich jetzt den Schock seines Lebens, den es mit Papas Hilfe (er mag ihr ein Selbsthilfebuch von Amazon ordern, nein, besser noch "Godot", den es vermutlich schon neunmal gelesen hat). Und die beleidigten Kritiker stricken sich neue Theorien, in denen die Wirklichkeit, die sie nicht erkannt haben (Das Buch ist ein Plagiat!) der neusten Theorie untergeordnet wird. Weg mit den Urheberrechten. Intertextualität, Kunst, Eierkuchen, Hallo?

Am peinlichsten kommt es mir vor, dass es Menschen zwar durchaus auffällt, dass Mädels mit 16 zwar nicht in gewisse Berliner Discos gekommen sein können und deshalb das Buch - äh - in Teilen - hm - sagen wir "montiert" sein könnte. Aber nicht, dass der gesamte stilistische und intellektuelle Duktus in Nichts der Erfahrungswirklichkeit der gemeinen, jungen Masse entspricht. Und dennoch 1. als DER Roman der Nuller-Dingens apostrophiert wurde. Sowie 2. durchaus authentisch wirke. Tja. So zimmert sich der herkömmliche Kritikant sein Welt- und Lebensbild zurecht. Blut, Schweiß und Tränen. Alle kaputt - super.

Immerhin wagen nun die ersten Mutigen, ihre bisher in der Schublade versteckten Negativ-Kritiken auf den Stammtisch-Tresen der Szene zu werfen. Alles schon vorher gewußt. Das Ding ist schlecht. Aber man muß die Kollegen in ihrem einhelligen Lob ja nicht vor der Zeit verwirren. Was bleibt, ist mal wieder der durchaus zeitgemäße üble Geschmack einer Doppelzüngigkeit, die in der jüngsten, explodierenden Spermafixiertheit der minderjährigen literarischen Wunder nur unzulänglichen Ausdruck findet. Die Wahrheit enttarnt sich immer selbst. Wußte schon einer, dessen Name nun, da sich andeutet, dass bald kein Buch mehr einen Autor braucht, völlig unwichtig ist: Es leuchtet! Seht!

Im Werk dieses unbedeutenden Urhebers (Goethe? Wer ist das, hat der auch gewixt?) ging es übrigens um den Homunculus...

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Fischertochter - 9. Feb, 20:41

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